Es ist wieder Fastenzeit. Und wie nicht anders zu erwarten, füllen Presse, Funk und Fernsehen wieder ihre Seiten und Sendminuten mit Tipps und Berichten zu Heilfasten, Fastenkuren und Entschlackung, die der Wellness von Leib und Seele dienen sollen. Und selbst in vielen Predigten und kirchlichen Aktionen wird dem Motto „Sieben Wochen ohne“ gefrönt und der Verzicht propagiert. Handyfasten, Schokoladenverzicht, Alkoholverbot – so sieht das moderne Fasten aus. Aber wozu soll das gut sein?
Manch modernem Zeitgenossen geht das Fasten so an die Nieren, dass seine Mitmenschen sein Fastenbrechen ersehnen. Wenn das Fasten zur Last wird, ist die schlechte Laune nur allzu oft die logische Folge. So wird die Fastenzeit für die, die mit einem Fastenden leben müssen, zu einer wahren Bußzeit.
Das Fasten scheint zum Selbstzweck zu werden. Mediziner schreiben einer Fastenkur zwar eine durchaus heilende Wirkung zu. Aber sie betonen dabei auch, dass diese eben medizinisch begleitet werden muss. Der Mensch ist von Natur aus offenkundig nicht für den Verzicht gemacht. Und Hunger ist kein Luxus, sondern Leiden. Vom Heilfasten zu reden, ist angesichts der vielen, die wirklich Hunger leiden, fast schon ein Hohn.
Trotzdem begehen die Kirchen jetzt die Zeit, die im Volksmund Fastenzeit genannt wird. Tatsächlich blieb den Altvorderen in der vorösterlichen Zeit gar nichts anderes übrig, als zu fasten; die Wintervorräte gingen zur Neige und im frühen Jahr stand noch keine Ernte zur Verfügung. An die Stelle dieses natürlichen Fastens hat die moderne Wohlstandgesellschaft das Luxusfasten gesetzt. Dabei kann eine Rückbesinnung auf die kirchliche Tradition helfen, den Sinn dieser 40 Tage vor Ostern neu zu verstehen. Die sogenannte Fastenzeit wird vom Aschermittwoch und dem Karfreitag gerahmt – den einzigen beiden Tagen, die in der katholischen Kirche als echte Fast- und Abstinenztage gelten. Diese beiden Tage stehen unter dem Zeichen des Todes: Am Aschermittwoch wird der Mensch durch das Aufstreuen der Asche an seine eigene Sterblichkeit erinnert und am Karfreitag gedenken die Kirchen des Leidens und Sterbens Jesu.
Tatsächlich bleibt dem heutigen Menschen und seiner ihm eigenen Selbstverständlichkeit des Lebens angesichts der Todesgewissheit nicht selten der Bissen im Hals stecken. Wer aber diesen Brocken zu schlucken bereit ist, wird das Leben gerade angesichts der eigenen Sterblichkeit neu genießen können. Die Zeit vor Ostern führt uns die Endlichkeit vor Augen, damit wir das Leben mit Freude genießen können. Das ist das eigentliche Fasten: Die Wahrnehmung für die eigene Vergänglichkeit schärfen, denn nur so kommt das, was bleiben wird, in den Blick. Wer so fastet, wird Ostern wirklich das Leben feiern können – ein Leben, das stärker ist als jeder Tod.
Dr. Werner Kleine, PR
Katholische Citykirche Wuppertal
Der Beitrag erscheint in einer leicht gekürzten Fassung in der Wuppertaler Rundschau vom 25. Februar 2012.
Die Rubrik “Auf ein Wort” erscheint in unregelmäßigen Abständen in der Samstagsausgabe der Wuppertaler Rundschau. Autoren sind evangelische und katholische Theologen in Wuppertal, die sich zu aktuellen gesellschaftlichen oder kommunalen Themen äußern. Wir veröffentlichen auf kath 2:30 die Beiträge der katholischen Autoren. Die evangelischen Beiträge finden Sie hier.
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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